Einblicke in das Tarnverhalten von Sepien
Die computergestützte Bildanalyse des Verhaltens von Sepien zeigt Prinzipien der Steuerung und Entwicklung einer biologischen Tarnkappe

© Stefan Junek/ MPI Brain Research
/FIAS/ Die einzigartige Fähigkeit der Sepien, Kalmare und Oktopoden, sich zu verstecken, indem sie die Farben und Texturen ihrer Umgebung nachahmen, hat Naturwissenschaftler seit Aristoteles fasziniert. Als einzige Tierart kontrollieren diese Mollusken ihr Aussehen durch direkte Einwirkung von Neuronen auf expandierbare Pixel, die sich millionenfach in ihrer Haut befinden. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung (MPI für Hirnforschung), des Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) und der Goethe Universität (GU) nutzten diese Verbindung zwischen Neuronen und Pixeln, um einen Blick in das Gehirn von Sepien zu werfen und daraus die mutmaßliche Struktur von Kontrollnetzwerken durch Analyse der Dynamik von Hautmustern abzuleiten.
Sepien, Kalmare und Oktopoden bilden eine Gruppe von Meeresmollusken, die Kopffüßer genannt werden und einst Ammoniten umfassten, die heute nur noch als Spiralfossilien aus der Kreidezeit bekannt sind. Moderne coleoide Kopffüßer verloren vor etwa 150 Millionen Jahren ihre äußeren Schalen und wurden zunehmend zu aktiven Räubern. Mit dieser Entwicklung ging eine massive Vergrößerung ihres Gehirns einher: Moderne Sepien und Oktopoden haben die größten Gehirne (im Verhältnis zur Körpergröße) unter den wirbellosen Tieren, vergleichbar mit Fischen oder Reptilien. Sie nutzen diese großen Gehirne, um eine Reihe von intelligenten Verhaltensweisen auszuführen, einschließlich der einzigartigen Fähigkeit, ihr Hautmuster zu verändern, um sich zu tarnen oder zu verstecken.
Kopffüßer erzielen ihre Tarnung durch direkte Einwirkung ihres Gehirns auf spezialisierte Hautzellen – auch Chromatophore genannt – die als biologische “Pixel” auf einem weichen Displaysystem – ihrer Haut – wirken. Diese Eigenschaft ist einzig den Kopffüßern zu eigen. Sepien verfügen über bis zu Millionen von Chromatophoren, von denen jedes expandiert und kontrahiert werden kann, um lokale Veränderungen im Hautkontrast zu erzeugen. Chromatophoren gibt es auch in verschiedenen Farben. Durch die Kontrolle dieser Chromatophoren können Sepien ihr Aussehen in Bruchteilen einer Sekunde verändern. Sie nutzen diese Eigenschaft, um sich vor Räubern zu schützen, selbst zu jagen, aber auch um zu kommunizieren.
Um sich zu tarnen, passen sich Tintenfische nicht Pixel für Pixel ihrer lokalen Umgebung an. Stattdessen scheinen sie durch visuelle Wahrnehmung eine statistische Annäherung an ihre Umgebung zu erzielen und nutzen diese Heuristiken, um eine adaptive Tarnung aus einem vermeintlich großen, aber begrenzten Repertoire an wahrscheinlichen Mustern auszuwählen, die im Laufe des Evolutionsprozesses selektiert wurden. Die biologischen Lösungen zu diesem Problem der statistischen Abgleichung sind derzeit unbekannt. Da aber Sepien dieses Problem lösen können, sobald sie aus dem Ei schlüpfen, sind die Lösungen wahrscheinlich angeboren, in das Gehirn der Sepien eingebettet und relativ einfach. Ein Team von Wissenschaftlern vom MPI für Hirnforschung, FIAS und GU unter der Leitung von Gilles Laurent, hat Techniken entwickelt, die anfangen, diese Lösungen aufzuzeigen.
Originalpublikation
Elucidating the control and development of skin patterning in cuttlefish. Sam Reiter, Philipp Hülsdunk, Theodosia Woo, Marcel A. Lauterbach, Jessica S. Eberle, Leyla Anne Akay, Amber Longo, Jakob Meier-Credo, Friedrich Kretschmer, Julian D. Langer, Matthias Kaschube & Gilles Laurent. Nature 562: 361-366. http://dx.doi.org/10.1038/s41586-018-0591-3