Führt das Ignorieren von negativem Feedback zu unflexiblem Verhalten?
Ein Verlust der Fähigkeit, sich flexibel auf neue Aufgaben einzustellen, führt zu Wiederholungsfehlern bzw. zu starrem Festklammern an vergangenen Zielen. Die zugrunde liegenden Defizite in der Informationsverarbeitung sowie deren neuronale Grundlagen wurden nun von einem Forschungsteam des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) untersucht.
Schädigungen der markierten Gehirnregionen kann zu verminderter Beachtung von negativem Feedback führen © Jan Gläscher
/UKE/ In unserem Alltag müssen wir uns ständig auf neue Aufgaben einstellen. Diese Flexibilität wird durch den menschlichen Frontalkortex ermöglicht, der für die Steuerung des eigenen Verhaltens unter Berücksichtigung der Umwelt zuständig ist – er reguliert unter anderem Konflikte zwischen unterschiedlichen Vorgaben. Ein Verlust dieser Fähigkeit führt zu sogenannten Wiederholungsfehlern („perseverative errors“), bzw. zu starrem Festklammern an vergangenen Zielen. Die zugrunde liegenden Defizite in der Informationsverarbeitung sowie deren neuronale Grundlagen wurden nun von einem Forschungsteam des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) untersucht.
Eine von Jan Gläscher aus dem Institut für Systemische Neurowissenschaften des UKE geleitete Arbeitsgruppe hat in Kooperation mit US-Forschern vom California Institute of Technology und der University of Iowa PatientInnen mit Hirnläsionen untersucht. Sie verwendeten dabei den „Wisconsin Card Sorting Test“, der weltweit am häufigsten verwendete neuropsychologische Test, um Defizite in der kognitiven Kontrolle und der Verhaltensflexibilität zu diagnostizieren. Dabei müssen die Patienten Karten mit einfachen Symbolen auf verschiedene Stapel sortieren, wobei ihnen das Sortierkriterium (Farbe, Anzahl oder Symbol) nicht bekannt ist. Dieses erlernen sie durch ein Feedback nach jedem Durchgang. Nach einer Weile ändert sich das Sortierkriterium unangekündigt und die Patienten müssen sich auf das neue Kriterium einstellen. Patienten mit ausgedehnten Frontalhirnläsionen schaffen dies nicht oder nur sehr langsam und begehen Wiederholungsfehler („perseverative errors“).
Untersuchung von Läsionskarten durch mathematische Modellierung
Mittels detaillierter mathematischer Modellierung konnten die Forscher nun genau beschreiben, wie die Informationsverarbeitung im Gehirn dieser Patienten gestört ist. Offenbar wird das negative Feedback bei einem Fehler nicht ausreichend wahrgenommen und ignoriert. Dadurch erkennen die Patienten nicht, dass sich die Zielanforderungen (das Sortierkriterium) geändert haben – sie sortieren weiter nach vergangenen Kriterien und begehen Wiederholungsfehler. Die Analyse der Läsionskarten der Patienten, die auf strukturellen MRT-Bildern beruht, zeigte: Die verminderte Beachtung des negativen Feedbacks, die zu Wiederholungsfehlern führte, hing vor allem mit Schädigungen des rechten Frontal- und Parietalkortex sowie den darunter liegenden Faserverbindungen zusammen.
Patienten mit derartigen Schädigungen könnte man durch die Betonung möglicher negativer Folgen ihrer Entscheidungen und Verhaltensweisen dabei helfen, Feedback bewusster wahrzunehmen. Dadurch könnten sie sich im Alltag besser auf neue Aufgaben einstellen. Modifiziert nach Pressemitteilung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE)
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Originalveröffentlichung
Gläscher J., Adolphs R. & Tranel D (2019). Model-based lesion mapping of cognitive control using the Wisconsin Card Sorting Test. Nature Communications Volume 10, 20. DOI: 10.1038/s41467-018-07912-5