ERC Grants für Susanne Schreiber und Martin Rolfs in Berlin
Der Europäische Forschungsrat fördert drei exzellente Projekte der Humboldt-Universität; zwei davon unter der Federführung von Mitgliedern des Bernstein Netzwerks Computational Neuroscience.

Susanne Schreiber (© Matthias Heyde) und Martin Rolfs Martin Rolfs (© Kopf und Kragen)
/HU Berlin/ BN, Duppé/ Susanne Schreiber, Professorin für Theoretische Neurophysiologie und Martin Rolfs, Heisenberg-Professor für Allgemeine Psychologie erhalten jeweils einen der hoch dotierten ERC Grants. Beide sind an der Humboldt Universität zu Berlin angesiedelt und Mitglieder des Bernstein Center for Computational Neuroscience in Berlin.
Von der Nervenzelle zum Netzwerk – ANewSpike
Projektleitung: Susanne Schreiber, Computational Neurophysiology
Grundlage unseres Denkens und Verhaltens ist die elektrische Aktivität der Nervenzellen in unserem Gehirn. Die Zellen „unterhalten“ sich dabei mittels elektrischer Impulse – auch Aktionspotentiale genannt. Obwohl die grundlegenden biophysikalischen Prinzipien der Generierung der elektrischen Impulse gleich sind, kann man Aktionspotentiale in mehrere Klassen mit spezifischen Eigenschaften unterteilen. Im Projekt ANewSpike soll ein neuer, bisher weitestgehend unbeachteter Typ von Aktionspotential, untersucht werden. Die Gruppe von Susanne Schreiber, Professorin für Theoretische Neurophysiologie, nutzt dazu die mathematische Analyse von Nervenzellen.
Mittels Computersimulation und analytischer Berechnungen sollen die Auswirkungen sogenannter „homoklinischer“ Aktionspotentiale betrachtet werden. Diese sind etwas Besonderes, da sie bereits direkt nach einem elektrischen Impuls, und dort mit höchster Empfindlichkeit auf Reize reagieren. Wie das Team um Susanne Schreiber kürzlich zeigen konnte, hat diese einzigartige Eigenschaft spannende Folgen: minimale Veränderungen in Temperatur oder Ionenkonzentration, können einen dramatischen Anstieg der Synchronisation eines Netzwerkes von Nervenzellen hervorrufen. Das heißt, Netzwerke fangen plötzlich an zu „schwingen“, ohne dass dafür die Verbindungen zwischen den Zellen modifiziert werden müssen. Das ERC-Projekt verfolgt daher die faszinierende Hypothese, dass dieser „vergessene“ Aktionspotentialtyp einen allgemeingültigen Mechanismus darstellt, sowohl in der normalen oszillierenden Hirnaktivität als auch bei pathologischer Aktivität, wie etwa bei epileptischen Anfällen. Durch den Brückenschlag von der Nervenzelle zum Netzwerk soll aufgedeckt werden, ob dieser bis dato so unbeachtete Aktionspotentialtyp tatsächlich einen integralen Bestandteil der Dynamik des gesunden und erkrankten Gehirns bildet.
http://www.neuron-science.de/susanne-schreiber
Susanne Schreiber ist Vorsitzende des Bernstein Netzwerks Computational Neuroscience und FENS Kavli Scholar.
Was strukturiert die visuelle Wahrnehmung? – VIS-À-VIS
Projektleitung: Martin Rolfs, Active Perception and Cognition
Ein rascher Blick auf die Uhr oder über die Schulter — fast unmerklich suchen unsere Augen immerfort neue Informationen. Wie blitzschnelle Kameras versorgen sie uns bei Bedarf mit jedem Detail der visuellen Welt. Damit unsere Netzhaut die aktuell relevanten Teile der unserer Umgebung aufnehmen kann, koordinieren sogenannte visuelle Handlungen unsere Augen, den Kopf und den Körper. Was dabei im Gehirn passiert stellt Wissenschaftler seit Jahrhunderten vor große Herausforderungen: Wie können wir nicht jedes Mal, wenn sich die Augen bewegen, die Bewegung der gesamten Szene auf der Netzhaut erleben? Wie verfolgt das Gehirn die drastischen aber nicht wahrnehmbaren Änderungen der Netzhautpositionen von Objekten? Und wie schaffen wir es Bewegung, die sich auf der Netzhaut abbildet, als unsere eigene Bewegung wahrzunehmen, anstatt als Bewegung der Welt um uns?
Das Projekt VIS-À-VIS untersucht unsere Bewegungsfähigkeit als Schlüsselkomponente der visuellen Wahrnehmung. Martin Rolfs, Heisenberg-Professor für Allgemeine Psychologie – Aktive Wahrnehmung und Kognition, verfolgt die Idee, dass visuelle Aktionen die Kernfunktionen des aktiven Sehens unterstützen. Um die Systematik visueller Handlungen zu charakterisieren, kombiniert er innovative Technologien und modernste psychophysikalische Werkzeuge. Mit seinem interdisziplinären Team möchte er herausfinden, ob die spezifischen Gesetzmäßigkeiten unserer Bewegungen unsere visuelle Wahrnehmung der Welt grundlegend strukturieren.
ERC Grant
Der Grant wird vom European Research Council (ERC) vergeben und gehört zu den höchstdotierten und prestigeträchtigsten Forschungsförderungen in Europa. Das Format der Consolidator Grants richtet sich an exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und fördert Projekte, die innovative Forschungszugänge entwickeln oder neue Forschungsfragen bearbeiten. Die Förderung wird für eine Laufzeit von bis zu fünf Jahren vergeben und umfasst maximal zwei Millionen Euro.