Mit Deep Learning zu besseren Gehirnmodellen
ERC Consolidator Grant für Tübinger KI-Forscher Professor Jakob Macke

Foto: Friedhelm Albrecht, Universität Tübingen
Beteiligte Bernstein-Mitglieder: Jakob Macke
Der Tübinger KI-Forscher Professor Jakob Macke wird in den kommenden Jahren mit Hilfe von Deep Learning neuartige neuronale Netzwerke an der Schnittstelle von Neurowissenschaften und Maschinellem Lernen entwickeln. Ausgangspunkt des Projekts „DeepCoMechTome“ ist das Gehirn der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, das über gut 100.000 Nervenzellen mit mehreren Millionen Verknüpfungen verfügt. Das Projekt wird vom Europäischen Forschungsrat mit insgesamt knapp zwei Millionen Euro gefördert. Macke ist Mitglied des Tübinger Exzellenzclusters „Maschinelles Lernen. Neue Perspektiven für die Wissenschaft“, des von der Bundesregierung geförderten Tübingen AI Center, und ist Sprecher des „Bernstein Center for Computational Neuroscience Tübingen“.
Das Gehirn der Drosophila, die in der Biologie eine der bekanntesten Modellorganismen darstellt, ist aus mehreren Gründen für Forschende aus Neurowissenschaften und Informatik interessant. „Fruchtfliegen haben im Vergleich zu Säugetieren nur winzige Gehirne“, erklärt Macke: „Dennoch verfügen diese Tiere über erstaunliche Fähigkeiten, wie eine hochpräzise Kontrolle ihres Fluges. Sie können sich an Landmarken orientieren und reagieren blitzschnell, wenn sich Fressfeinde nähern.“ Trotz großer Leistungsfähigkeit verbrauche das Gehirn der Drosophila lediglich Energie im Nanowattbereich, sei also deutlich energieeffizienter als jeder Computer.
Der biologischen Forschung sei es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, das Gehirn der Fruchtfliege in großer Detailtiefe zu analysieren. „Damit haben wir nun Zugang zu den Schaltkreisen des Gehirns, aber konnten bisher trotzdem keine Modelle bauen, die ähnliche Aufgaben wie echte Drosophila-Gehirne übernehmen können.“ Im Gegensatz dazu sei es in den vergangenen Jahren mit den Methoden des Deep Learning gelungen, künstliche neuronale Netze zu schaffen, die sehr komplizierte Berechnungen durchführen könnten. Die künstlichen neuronalen Netze hätten sich aber von ihrem Aufbau und ihrer Funktionsweise her inzwischen weit von denen biologischer neuronaler Netze entfernt.
„Diese beiden Welten wollen wir wieder zusammenbringen“, erklärte der KI-Forscher: „Unser Ziel ist es nun, künstliche neuronale Netze zu schaffen, die in Aufbau und Struktur dem Gehirn der Fruchtfliege möglichst nahekommen, zugleich aber ähnliche Leistungen vollbringen können.“ Dazu seien neuartige Methoden des Maschinellen Lernens notwendig, welche in dem Projekt in enger Zusammenarbeit mit Srinivas Turaga vom Janelia Research Campus in Ashburn, Virginia und weiteren Forschenden entwickelt und angewendet werden sollen. Solche Methoden können auch für die neurowissenschaftliche Erforschung von Lebewesen mit komplexeren Gehirnen, wie beispielsweise Fischen oder Säugern eingesetzt werden.