Projekt NeuroDevFunc: Wie nehmen Fruchtfliegen Bewegung visuell wahr?
Forschende am Fachbereich Biologie der JGU und ihre französischen Partner:innen erhalten die ANR-DFG-Förderung für deutsch-französische Zusammenarbeit
Prof. Dr. Marion Silies, Foto: Stefan F. Sämmer
Beteiligte Bernstein-Mitglieder: Marion Silies
Unsere Augen sind ständig damit beschäftigt, Bewegungsinformation zu verarbeiten. Wir sehen Bewegung nicht nur, wenn uns jemand einen Ball zuschießt – also, wenn wir sich bewegende Objekte beobachten –, sondern auch, wenn wir selbst über den Fußballplatz rennen und sich die Umgebung relativ zu uns bewegt. So auch bei der Fruchtfliege, Drosophila melanogaster, die sowohl fliegen als auch laufen kann. Die Informationen, die das Auge erhält, müssen schnell ans Nervensystem weitergeleitet werden, um etwa Hindernissen auszuweichen. Dabei helfen unter anderem die T4- und T5-Zellen: Sie liegen nur wenige Zellschichten hinter den Fotorezeptoren im Auge und detektieren die Richtung von Bewegung. Wie diese Zellen die Bewegungsinformationen konkret verarbeiten, untersuchte Prof. Dr. Marion Silies von der JGU in den vergangenen Jahren. “Bisher waren sich viele Studien, die dieses Problem mit anatomischen, genetischen oder funktionalen Methoden untersucht haben, einig, dass es vier Typen dieser richtungsselektiven Zellen im Auge der Fruchtfliege gibt: je eine für Bewegung nach oben und unten, links oder rechts”, berichtet Silies. “In einer Vorstudie, in der wir die gesamte Population dieser T4/T5 Zellen untersucht haben, konnten wir jedoch zeigen, dass es sechs unterschiedliche Typen dieser Nervenzellen gibt. Diese kodieren nicht strikt wie bisher angenommen uniforme Bewegungsrichtungen, sondern bilden als Gesamtheit die globalen Bewegungsmuster ab, die durch die Eigenbewegung der Fruchtfliege entstehen. Diese Ergebnisse sind im Bereich der Neurobiologie der visuellen Wahrnehmung ein Paradigmenwechsel.”
Zu einem komplementären Ergebnis kam Dr. Bassem Hassan am Institut du Cerveau in Paris: Der Biologe untersuchte die Entwicklung der Zellen und fand – ebenfalls entgegen der bisherigen Meinung in der Wissenschaftscommunity – heraus, dass auch die Entwicklung mehr als vier richtungsdetektierende Nervenzellen generiert. “Unsere Ergebnisse ergänzen sich so gut, dass wir künftig die Entwicklungsbiologie mit unseren funktionellen Untersuchungen verknüpfen werden”, berichtet Silies. Gemeinsam möchte das deutsch-französische Team verschiedenen Fragen nachgehen. Etwa: Wie genau sind Entwicklung und Funktion dieser Zellen miteinander verknüpft? Wie bilden die Subtypen richtungsselektiver Zellen unterschiedliches Verhalten ab? Finanziert wird diese länderübergreifende Forschung für drei Jahre über das ANR-DFG-Programm.