Eve Marder erhält Valentin Braitenberg Award for Computational Neuroscience 2021
Eve Marder, Pionierin der Neurowissenschaft und international bekannt für ihre Arbeiten über das Nervensystem von Hummern und Krabben, erhält den diesjährigen Valentin Braitenberg Award for Computational Neuroscience. Die Preisverleihung findet im Rahmen der Online Bernstein Konferenz am 23. September statt.

Eve Marder, Bernstein Conference 2019, Foto: N. Schwarzer, Bernstein Netzwerk
/BN, Duppé/ Eve Marder ist eine Pionierin in vielerlei Hinsicht. Während ihrer langen und herausragenden Karriere hat sie viel Neuland für die Neurowissenschaften erschlossen; mit ihrem neugierigen Geist denkt sie stets über den Tellerrand hinaus und wird von ihren Studierenden als großartige Mentorin sehr geschätzt. Die Jury des Valentin-Braitenberg-Preises ehrt Marder als „eine äußerst kreative Forscherin, deren Erkenntnisse das Feld inspiriert haben und die wesentlich dazu beigetragen hat, die Verbindung zwischen Computer-basierten und experimentellen Ansätzen zu stärken“ (Susanne Schreiber, Mitglied der Jury und Vorsitzende des Bernstein Netzwerks). Marder zeigte sich sehr „erfreut und geschmeichelt“ als sie die Nachricht von der Auszeichnung erhielt.
Eve Marder und ihre Forschung
Eve Marders Forschungsschwerpunkt ist das Stomatogastrische Ganglion-System (STG) von Hummern und Krebsen. Seit den 1970er Jahren ist sie von diesem Schaltkreis aus 30 Neuronen fasziniert; es steuert die Nahrungsaufnahme und das Verdauungssystem von Krustentieren. Für die Computational Neuroscience bot dieses neuronale Netzwerk aufgrund seiner überschaubaren Größe und der vergleichsweise leichten experimentellen Zugänglichkeit ein breites Forschungsfeld – ideale Bedingungen für kombinierte Experiment-Theorie-Ansätze. Marders Forschung ist überaus vielfältig; sie hat viele grundlegende Prinzipien der neuronalen Funktion aufgedeckt, beispielsweise Prinzipien des Zusammenspiels von Netzwerk- und Zelleigenschaften, neuronaler Homöostase oder der Temperaturabhängigkeit bei neuronaler Verarbeitung. Ihre Arbeit hat grundlegende Auswirkungen auf unsere Sichtweise der Architektur und Funktion neuronaler Schaltkreise.
Marders frühe Arbeiten über Neuromodulatoren werden oft als Paradigmenwechsels in den Neurowissenschaften bezeichnet. Sie zeigte, dass Flexibilität und Stabilität im Gehirn kein Paradoxon, sondern zwei Seiten derselben Medaille sind. Ihre Forschung konzentriert sich darauf, wie neuronale Schaltkreise in ihrer Struktur und Funktion stabil bleiben, während Neuromodulatoren ihre Leistung ständig neu konfigurieren. Zusammen mit ihrem Kollegen Larry Abbott, von der Columbia University, NY, entwickelte Marder die „dynamische Klammer“, ein Werkzeug, das weltweit eingesetzt wird, um neuronale Systeme auf zellulärer und Schaltkreisebene zu untersuchen. Diese beiden großen Errungenschaften beeinflussen noch immer ihre Forschung. Sie und ihre Gruppe untersuchen nach wie vor die Rekonfiguration von Schaltkreisen durch Neuromodulatoren. Diese bedingen die Stabilität von neuronalen Netzwerken ebenso wie die Variabilität der Schaltkreisfunktion im Gehirn von Tieren. Eve Marder selbst beschreibt ihre Arbeit folgendermaßen: „Heute konzentrieren wir uns auf die individuelle Variabilität bei Tieren und darauf, wie diese mit der Widerstandsfähigkeit gegenüber einer Vielzahl von Störungen zusammenhängt. Ich bin besonders begeistert von den jüngsten experimentellen und computerbasierten Arbeiten, die zeigen, dass Erfahrung die Eigenschaften des Nervensystems auf eine Weise verändern kann, die so lange ‚kryptisch‘ oder verborgen bleiben, bis das Nervensystem durch eine Störung der Umgebung herausgefordert wird.“
Als Wissenschaftlerin hat Eve Marder große Spuren in der Welt der Computational Neuroscience hinterlassen. Im Laufe ihrer Karriere hat sie zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen erhalten. Marder erhielt 2016 den KAVLI-Preis und 2019 den US National Academy of Science Award in the Neurosciences, um zwei aus jüngerer Zeit zu nennen. Als Mentorin beriet sie viele Wissenschaftler:innen, die heute in verantwortlichen Positionen an führenden akademischen Einrichtungen auf der ganzen Welt tätig sind. Als Fürsprecherin der Wissenschaft, sowohl in als auch außerhalb wissenschaftlicher Kontexte, ist sie zu einem wichtigen Vorbild für junge Neurowissenschaftler:innen und MINT-Student:innen allgemein geworden.
Der Valentin-Braitenberg-Preis wird Eve Marder im Rahmen der Bernstein Konferenz am 23. September 2021 verliehen. Im Anschluss an die Preisverleihung hält Eve Marder die Valentin Braitenberg Lecture, in der sie Höhepunkte ihrer Forschung präsentiert.
Valentin Braitenberg Award
Namensgeber des Preises ist der Hirnforscher Valentin Braitenberg (1926, Bozen – 2011, Tübingen), einer der Gründungsdirektoren des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik.
Das Forschungsgebiet Braitenbergs war die Feinstruktur des Gehirns und dessen Funktionsprinzipien, wobei der Schwerpunkt seiner bahnbrechenden Arbeiten im Bereich der Groß- und Kleinhirnrinde lag.
Mit finanzieller Unterstützung der Autonomen Provinz Bozen Südtirol wird nun alle zwei Jahre der „Valentin Braitenberg Award for Computational Neuroscience “ im Rahmen der Bernstein Konferenz verliehen.