Gute (Kurs)Aussichten für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Sonja Grün ist Mitinitiatorin des Advanced Neural Data Analysis Course ANDA. In diesem Interview gewährt sie einen Blick hinter die Kulissen des Kurses.
Sonja Grün, Vizedirektorin des INM-6, © Forschungszentrum Jülich
/BN, C. Duppé/
Guten Tag Frau Grün! Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen über den Advanced Neural Data Analysis Course, kurz ANDA, zu sprechen. Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um teilnehmen zu können und was nimmt man am Ende mit?
Ein gutes mathematisches Grundwissen und -verständnis ist Voraussetzung. Idealerweise kommen die Teilnehmenden aus den Neurowissenschaften oder der Computational Neuroscience. Programmierkenntnisse in Matlab, Python oder C sind notwendig. In jedem Fall ist es von Vorteil, wenn die Interessierten schon eine Fragestellung im Kopf haben, die sie gerne datenanalytisch angehen wollen. Die Credits für den Kurs können auf das Studium angerechnet werden. Inhaltlich bietet er einen Fundus an Analysemethoden für neurowissenschaftliche Daten. Die Teilnehmenden lernen Tools kennen, in denen Analysemethoden schon implementiert sind, damit sie leichter im Alltag genutzt werden können. Sie lernen, die Randbedingungen für den Einsatz der Methoden zu berücksichtigen, Daten genauer anzuschauen und die geeignete Methode für die Aufgabe auszuwählen.
Hier sprechen sie die praxisorientierten Phasen im Kurs an?
Ja. Der Kurs dauert knapp drei Wochen und ist in zwei Teile eingeteilt. Der erste Teil besteht aus Vorlesungen und Übungen. Im zweiten Teil bilden sich Gruppen, die mit verschiedenen Daten-sätzen konfrontiert werden. Die Herausforderung besteht darin herauszufinden, welche Datensätze echt und welche simuliert sind. Hier werden wir durch Tutoren aus verschiedenen Standorten unterstützt, für die das ebenfalls einen hohen Arbeitsaufwand bedeutet. Ohne sie wäre der Aufwand nicht zu stemmen.
Einen dreiwöchigen Kurs jenseits der universitären Lehrverpflichtung anzubieten, ist durchaus etwas Besonderes. Wie kam es dazu?
Meines Erachtens wird Data Analytics immer noch unterschätzt. Ich habe schon während meiner Zeit in Freiburg Einführungskurse hierzu angeboten. Dabei hat sich schnell gezeigt, dass die wirklich komplexen Analyseverfahren so nicht vermittelbar sind. Es war mir aber gerade im Hinblick auf Digitalisierung und reproduzierbare Datenanalyse wichtig, ein Format für die Lehre zu finden, denn die Herkunft der Daten, gerade die Datenerhebung bei Experimenten, sind wesentlich komplexer geworden – die Datensätze speisen sich aus mehreren Quellen, gerade in verhaltensbiologischen Experimenten mit Tieren.
Worin sehen Sie denn die größte Herausforderung?
Die Teilnehmenden kommen aus ganz verschiedenen Bereichen, einerseits mit Vorbildung in Informatik, Computer Science oder Physik. Auf der anderen Seite haben wir Teilnehmende mit einer eher experimentellen Ausbildung. Deshalb ist das Ziel im ersten Teil auch die Hintergründe zu lehren. Ergänzt wird dies durch abendliche Vorträge, die die Brücke zwischen experimentellen Daten und datenanalytischen Herangehensweisen anhand von Beispielen thematisieren. Der Vorteil dieses ersten Teils ist ja auch, dass die Vortragenden aus aller Welt die ganze Zeit dabei und ansprechbar sind und sich so ein fachlicher Dialog entwickeln kann.
Sie haben gerade die enormen Datenmengen angesprochen. Heute gibt es ja neue Möglichkeiten auch hinsichtlich der Infrastruktur, gerade im Hinblick auf Supercomputing, für das gerade das Forschungszentrum Jülich bekannt ist. Wie sehr ist so etwas ein Thema?
Im Kurs ist ein ganzer Tag dem Datenmanagement großer Datenmengen gewidmet. Hier bringt sich insbesondere Thomas Wachtler von G-Node ein, dessen Team kontinuierlich Methoden zur Metadatenerfassung und Speicherung der Daten weiterentwickelt. Wir in Jülich entwickeln das Datenanalyse Tool Elephant und sind sehr stark daran interessiert, reproduzierbare Workflows zu entwickeln. Wir nutzen die Tools von Thomas Wachtler und seinem Team und arbeiten intensiv zusammen. Außerdem bringen wir dieses Wissen in das Human Brain Projekt ein, in dem zentral offen zugängliche Workflows entwickelt werden, die den Zugriff auf Plattformen wie Supercomputing, Modellierung oder Data Analytics erlauben. Natürlich vermitteln wir dann auch die Tools zur parallelisierten Datenanalyse auf Supercomputern. Kurzum, ANDA bietet ein großes Paket an Möglichkeiten.
Sie erwähnten gerade Thomas Wachtler, der die Bernstein Facility for Data Management, G-Node, in München leitet. Er ist Co-organisator des ANDA Workshops. Wie kann man sich die Organisation für Sie als Koordinatoren vorstellen?
Wir arbeiten schon jetzt wieder auf den nächsten Kurs hin. Wir haben eine wöchentliche Skype- oder Videokonferenz, in der wir besprechen, was im Hinblick auf Vortragende und den Veranstaltungsort des Kurses zu tun ist. Gerade das Wohnen und Lernen am gleichen Ort in der Abgeschiedenheit des idyllischen Klosters Overbach gibt dem Kurs seinen besonderen Charakter. Die Finanzierung ist ein großer Faktor und natürlich die Gewinnung der internationalen Sprecher, die in ihren Kalendern dafür Zeit ein-räumen müssen. Die Logistik und letzte Vorbereitungen halten in der Endphase eines solchen Kurses ganze Arbeitsgruppen in Atem.
Martin Nawrot aus Köln ist ebenso einer der Co-Organisatoren. Gemeinsam müssen Sie als Dreierteam inhaltlich sehr viel vorbereiten, denn gerade die internationalen Vortragenden sind, wie Sie schon sagten, ein großer Erfolgsfaktor des Kurses.
Ja. Ergänzen möchte ich noch, dass wir mit Yifat Prut von der Hebrew University in Jerusalem noch eine vierte Organisatorin gewinnen konnten. Sie kennt ANDA als Keynote Sprecherin und war immer sehr engagiert dabei. Die Auswahl der Sprecher orientiert sich an der Methode, die sie entwickelt haben oder weiter-ent-wickeln. Letztes Jahr konnten wir Byron Yu (Carnegie Mellon University, Pittsburgh) gewinnen. Moshe Abeles (Hebrew University, Jerusalem) war die letzten beiden Jahre immer mit dabei. Dieses Jahr hatten wir auch Jonathan Victor aus den USA und Christian Machens aus Portugal dabei. Inhaltlich sind dies die besten Leute der Welt in diesem Bereich.
Welchen Effekt hat das auf die Studierenden? Können Sie uns einen kleinen Einblick in das Stimmungsbild des Kurses geben?
Gerade am Anfang des Kurses fragen wir immer nach der Motivation. Oft kommen die Teilnehmenden mit sehr konkreten Anliegen im Gepäck. Aufgrund der lebendigen Teilnahme, der tiefen fachlichen Gespräche mit der Faculty und dem Feedback am Ende des Kurses freue ich mich sagen zu können, dass der Kurs sehr gut ankam.
Der ANDA Kurs ist ein Highlight im Veranstaltungskalender des Bernstein Netzwerks. Können Sie kurz dessen Zukunft skizzieren?
Bis 2019 ist die Finanzierung zunächst einmal durch ein Drittmittelprojekt der G-Node gesichert. Aber wir kümmern uns um schon jetzt um die Weiterfinanzierung, denn der Kurs ist etwas Besonderes – für uns genauso wie für die Teilnehmenden.