Julijana Gjorgjieva. Mentorin im SMARTSTART Programm
Ein Bernstein Sloan-Swartz Stipendium führte Julijana Gjorgjieva 2015 aus den USA nach Deutschland. Heute ist sie Gruppenleiterin am Max-Planck Institut für Hirnforschung und engagiert sich aktiv für die Ausbildung der „next generation in computational neuroscience“.
Julijana Gjorgjieva
/BN, C. Duppé/ Julijana Gjorgjieva liebt ihre Arbeit als Dozentin und Forscherin. Der Wissenschaftsbetrieb “hält sie auf Trab”, sagt sie, vor allem die Arbeit mit jungen Wissenschaftler:innen – ähnlich verhält es sich im sportlichen Kontext mit dem Rudern. Ihr Hobby spiegelt ihr Temperament und ist auch ein Indikator ihrer wissenschaftlichen Stationen. Teamwork und Nachwuchsarbeit, die Freude und der Ehrgeiz gemeinsam etwas zu erreichen präg(t)en die junge Forscherin ebenso wie die renommierten Hochschulen in den beiden Cambridges dieser Welt, zum einen Harvard University in den USA und Cambridge University in Großbritannien. Sie waren wichtige Anlegestellen der jungen erfolgreichen Wissenschaftlerin, die 2016 an das Max-Planck-Institut (MPI) für Hirnforschung nach Frankfurt a. M. kam, um ihre Forschungsgruppe “Computation in Neural Circuits” aufzubauen.
Der Weg nach Deutschland und ins Bernstein Netzwerk begann 2015 für die damals 31-jährige mit der Bernstein Konferenz in Heidelberg, an der sie durch ein Bernstein-Sloan-Swartz Reisestipendium teilnehmen konnte. Seit 2016 ist sie ein aktives und engagiertes Mitglied des Bernstein Netzwerks und im wissenschaftlichen Sinn eine agile Grenzgängerin zwischen den Disziplinen und wissenschaftlichen Hotspots dieser Welt. Als Mathematikerin hatte sie in Großbritannien begonnen und dort wurde auch ihre Begeisterung für die interdisziplinäre Hirnforschung entfacht. Sommerschulen in der Systembiologie und den Neurowissenschaften eröffneten ihr “eine neue Welt voller spannender und faszinierender Fragen.“1
Gjorgjieva versucht stets ihre mathematische Kompetenz einzusetzen, um biologische Fragen zu verstehen. “Als ich mich für Graduiertenschulen bewarb, suchte ich zunächst nach Programmen in der mathematischen Biologie: von Epidemiologie über Ökologie bis hin zur Modellierung des Herzens. Nachdem ich jedoch einen Kurs in Computational Neuroscience gemacht hatte, war mir klar, dass die Neurowissenschaften der Bereich sind, in dem ich meine mathematischen Fähigkeiten anwenden möchte.” Gjorgjieva fasziniert das Gehirn als das Organ, das “uns von anderen Organismen unterscheidet.” Keine techno-logische Errungenschaft und sei sie noch so modern und auch keine künstliche Intelligenz kann die Leistung des Gehirns imitieren, so Gjorgjievas leidenschaftliches Plädoyer für ihre Wissenschaft. Nur AlphaGo hat es bis jetzt geschafft, gibt sie zu. Aber nur in einem sehr eng begrenzten Rahmen. Dabei bietet die Computational Neuroscience in ihren Augen deutlich mehr Vielfalt an wissenschaftlichen Herausforderungen als eine Partie ‚Go‘.
Gjorgjieva arbeitet daran, die evolutionären Organisationsprinzipien neuronaler Systeme zu verstehen, gerade im Entwicklungsprozess. Für sie ist dies die wichtigste Phase im Leben eines Organismus. In dieser Phase muss alles koordiniert und zeitlich geregelt ablaufen, da es sonst zu neurologischen Entwicklungsstörungen kommt.
Ihr Modellorganismus zur Beobachtung dieser Entwicklung ist die Maus. Sie untersucht Daten des sich entwickelnden Gehirns, um zu verstehen wie neuronale Netze kurz nach der Geburt funktionieren und wie sie sich über einen Zeitraum von sieben Tagen verhalten. Während dieser Zeitspanne ist spontane Reaktion wichtig, um neuronale Verschaltung zu strukturieren und zu steuern. Diesen Prozess kann die Wissenschaftlerin aus den Daten mithilfe mathematischer Modelle simulieren. Hier geht sie unterschiedlich an die Fragestellungen heran, mal mit einem normativen Theorierahmen, mal mit einem so-genannten bottom-up Ansatz, in dem sie einzelne Komponenten wie Nervenzellen oder Synapsen untersucht.
Mithilfe ihrer Modelle kann Gjorgjieva dann eine Aussage über die Funktionsweise eines neuralen Netzwerks ableiten. Dabei ist die Forscherin ganz pragmatisch. „Mathematische Modelle helfen uns, die Komplexität neuronaler Schaltkreise zu entschlüsseln. Letztendlich müssen sie aber der Realität standhalten. Daher arbeite ich eng mit Experimentatoren zusammen, um die relevanten Parameter für meine Modelle zu bestimmen.“2 Sie hofft, dass einige der Einsichten, die sie mit ihrer Forschung gewinnt, irgendwann einmal dazu beitragen die Ursache von Entwicklungsstörungen zu finden und sie entsprechend behandeln zu können.
Julijana Gjorgjieva stellt sich gerne in den Dienst ihrer Wissenschaft, denn sie möchte die Begeisterung für Computational Neuroscience weitergeben. Schon kurz nachdem sie am Max-Planck-Institut für Hirnforschung als Gruppenleiterin begonnen hatte, bewarb sie sich um die Mitgliedschaft im Kollegium des SMARTSTART Joint Training Programs in Computational Neuroscience des Bernstein Netzwerks. Hier sieht sie die große Chance durch gutes Mentoring und gute Lehre junge Nachwuchswissenschaftler:innen für dieses Feld zu begeistern. Als Kollegiumsmitglied ist sie in die Auswahlverfahren involviert und als Mentorin ist sie in unmittelbarem Kontakt zu den Studierenden. So kann sie früh Talente erkennen und sehr gute neue Leute rekrutieren, die für das Feld leidenschaftlich brennen.
Das SMARTSTART Programm ist für Gjorgjieva einzigartig in der Computational Neuroscience. Es ist ihr eine Ehre das Programm mitgestalten zu dürfen, denn die Qualität der Bewerbungen, die von Studierenden verschiedenster Fachrichtungen eingereicht werden, beeindrucken sie stets aufs Neue. Für Gjorgjieva ist es die Mischung aus Theorie und Experiment und der Austausch mit anderen Laboren, die das Programm auszeichnen. Es bringt die Studierenden dazu die “eigene Komfortzone” zu verlassen, in ihren Augen ein wesentliches Element einer wissenschaftlichen Laufbahn.
Seit 2016 ist Julijana Gjorgjieva Professorin für Computational Neuroscience an der Technischen Universität München (TUM) und dabei weiterhin Gruppenleiterin am MPI in Frankfurt. Diese doppelte Aufgabe meistert die Wissenschaftlerin mit der ihr eigenen Leichtigkeit und dem Fokus auf das Wesentliche. Ihre Lehre hat sie in Blockkursen organisiert, so dass sie sich an beiden Standorten in der Lehre sinnvoll einbringen kann. In Frankfurt betreut sie ihre Masterstudierenden und DoktorandInnen vor Ort, in München kann sie hier auf die Mitarbeit einer Kollegin zählen. Für Gjorgjieva ist das alles in allem ‚relatively easy‘.
Wie sie oft betont, wurde ihre eigene wissenschaftliche Laufbahn maßgeblich durch Sommerschulen beeinflusst. Dies ist sicherlich ein Grund, weshalb sie gerne in Sommerschulen lehrt, sei es in Cold Spring Harbour oder in Möhnesee bei der IC Spring School „Me, myself, and I”. Ihrer Rolle als weibliches Vorbild für MINT Studierende ist sich Julijana Gjorgjieva sehr bewusst. Sie engagiert sich auch hier aktiv, weil ihr der Frauenanteil in den Natur-wissenschaften am Herzen liegt. Derzeit ist sie stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte am Max -Planck-Institut, eine Aufgabe, die, wie sie augenzwinkernd erklärt, sicherlich weniger Männer betrifft als Frauen, da diese oftmals nicht die gleichen Bedingungen wie ihre männlichen Kollegen vorfinden. Gjorgjieva ist überzeugt, dass die zukünftige Berufs- und Studienwahl junger Frauen stark vom Angebot in den MINT Fächern beeinflusst wird, sowohl auf Gymnasial-, also auch auf Hochschulniveau: “Junge Frauen sollten sich nicht scheuen, diese Richtung einzuschlagen.” Deshalb ist sie auch im Auswahlkomitee des Science Ambassador Scholarship, eines MINT Stipendiums für Frauen, das alle Studiengebühren und -kosten für ein Studium in den USA übernimmt. Für Gjorgieva schließt sich hier ein Kreis, denn auch ihre Karriere begann mit einem Stipendium, dass sie im Alter von 16 Jahren aus Mazedonien in die USA führte. Es war die Chance ihres Lebens und legte den Grundstein für ihre spätere wissenschaftliche Karriere.
Erschienen im Bernstein Feature. 2018. Next Gen/d/eration Computational Neuroscience, S. 12-15.
Referenzen
1 Bernstein Network Computational Neuroscience. Bernstein Newsletter 2016 (2): 12.
2 Bernstein Network Computational Neuroscience. Bernstein Newsletter 2016 (2): 14.