Wie wertvoll ist meine Zeit?
Torben Ott erhält einen ERC Starting Grant und möchte damit die Mechanismen untersuchen, die unserer verfügbaren Zeit einen Wert geben. Im Mittelpunkt steht dabei der Neurotransmitter Serotonin, den Ott als Schlüsselelement der Zeitwertung vermutet. Mit dem Projekt möchte Ott einen systematischen Zugang zu unserem Zeitempfinden ermöglichen.
Torben Ott, Foto: privat
In dem Roman „Der Zauberberg“ (1942) erzählt Thomas Mann wie ein kurzer Besuch zu einem siebenjährigen Aufenthalt heranwächst. Fasziniert von der darin thematisierten Zeitlichkeit beginnt Torben Ott, Leiter der Forschungsgruppe „Decision Circuits Lab“ am Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience Berlin/Humboldt-Universität zu Berlin, wissenschaftlich zu hinterfragen, wie Menschen und Tiere Zeit werten. Während seiner Postdoc-Phase in den USA untersuchte er, wie geduldig Tiere in unterschiedlichen Situationen sind und schaffte es, mit Hilfe mathematischer Modelle, solche Verhaltensweisen vorherzusagen. Im Januar 2022 begann Ott seine eigene Forschungsgruppe in Berlin aufzubauen, die durch das Emmy-Noether Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird. Nun erhält er einen ERC Starting Grant.
Mit Hilfe des Grants möchte Ott, gemeinsam mit seiner Forschungsgruppe, das Konzept der Zeitwertung noch weiter untersuchen und schreibt: „Dieses Forschungsprojekt zielt darauf ab, die neuronalen Mechanismen zu identifizieren, die unserer Zeit einen Wert geben und somit unser Verhalten prägen.“ Vor allem soll dafür die Rolle von Serotonin untersucht werden. Der Neurotransmitter, der für seinen Einfluss auf unsere Stimmung bekannt ist, wird von Ott als Schlüsselelement der Zeitwertung vermutet. Zunächst soll mit Hilfe von Tierversuchen der Wert von Zeit objektiv gemessen werden. Dafür wird bei Ratten beobachtet, wieviel Zeit sie in Aktivitäten mit jeweils variierenden Belohnungen investieren. Im Anschluss sollen mathematische Modelle die Zeitwertung der Ratten quantifizieren und mit Hilfe hocheffizienter Sonden die neuronalen Netzwerke im Orbitalfrontalkortex identifiziert werden, die für diese Zeitwertung verantwortlich sein könnten. Gleichzeitig soll die Freisetzung von Serotonin in Echtzeit gemessen werden, um dessen Einfluss auf die kortikalen Netzwerke besser zu verstehen. Mit diesem Projekt möchte Ott nichts weniger als grundlegende Erkenntnisse darüber liefern, wie unser Gehirn unseren Umgang mit der Zeit, die uns zur Verfügung steht, steuert. „Ich hoffe, dass dieses Konzept einen neuen, systematischen Zugang zu unserem Zeitempfinden ermöglicht. Ich glaube nicht, dass es Zufall ist, dass Stimmung und das Zeitempfinden so eng zusammenhängen“, schreibt Ott.