Spikende neuronale Netzwerke erreichen eine neue Stufe
Drei Studien, die kürzlich in der Fachzeitschrift Cerebral Cortex veröffentlicht wurden, stellen neue Modelle von Spike-Netzwerken im Gehirn vor. Elektrische Spikes von Neuronen spielen eine zentrale Rolle in der neuronalen Informationsverarbeitung. Mit Millionen von Neuronen und Milliarden von Synapsen ist die neue Generation offen zugänglicher Modelle ein leistungsstarkes Werkzeug, um die komplexe Dynamik in großen Netzwerken zu untersuchen. Anwendungsmöglichkeiten reichen von der neurowissenschaftlichen Grundlagenforschung bis zu neuromorphem Computing und Künstlicher Intelligenz (KI). Auf der digitalen Infrastruktur EBRAINS können Forschende die neuen Netzwerkmodelle als anpassungsfähige Bausteine in ihren Untersuchungen einsetzen und sie über mehrere Größenskalen hinweg mit anderen Simulationswerkzeugen kombinieren.
©FZJ/SBC Lehmann
Beteiligte Bernstein Mitglieder: Renato Duarte, Markus Diesmann, Claus Hilgetag, Renan Shimoura, Sacha van Albada, Alexander van Meegen
„Spikes“, auch bekannt als Aktionspotentiale, sind elektrische Impulse, die ein Neuron an alle mit ihm verbundenen Zellen abfeuern kann. Die Art und Weise, wie diese Signale von den Neuronen ausgehen, kann mit verschiedenen Methoden gemessen werden. Praktische Einschränkungen hindern jedoch daran, experimentell die Spikes von hunderten von Zellen gleichzeitig auf der Skala größerer Netzwerke verfolgen zu können.
Neue rechnergestützte Modelle mit erweiterter Netzwerkgröße und -komplexität geben nun einen Einblick in Phänomene, die bei Wechselwirkungen über große Spike-Netzwerke hinweg auftreten. Die mathematischen Modelle basieren auf abstrakten Netzen mit vereinfachten Punktneuronen und werden mit der Simulations-Software NEST auf EBRAINS untersucht. Sie bauen auf einem früheren Modell des lokalen Schaltkreises auf, welches das neuronale Netzwerk mit all seinen Nervenzellen unterhalb eines Quadratmillimeters kortikaler Oberfläche darstellte.
Die drei neuen Modelle spiegeln weitere Zelltypen, größere kortikale Volumina und die Integration der Konnektivität über längere Distanzen wider. Die Modelle berücksichtigen dabei die enorme Dichte der Verbindungen mit allen Neuronen und Synapsen, so wie in der Natur. Die Netzwerkdynamik kann so auf einer großen Skala untersucht werden, während das Verhalten der einzelnen Elemente an allen Stellen nachvollziehbar ist.
Untersuchungen über Größenskalen hinweg
Um noch tiefer zu gehen, können die Netzwerksimulationen zudem mit LFPy verbunden werden, einem Software-Werkzeug auf EBRAINS auf der Grundlage hochdetaillierter Neuronenmodelle und deren elektrischer Felder. In ähnlicher Weise verfügt NEST auch über eine Schnittstelle für die Co-Simulation mit The Virtual Brain auf EBRAINS. Dieses Werkzeug bildet die Netzwerkaktivität des gesamten Gehirns ab, wobei die Aktivität bestimmter Populationen von Nervenzellen jeweils zusammengefasst wird. Für Forscher ermöglicht dies „Multiskalen-Untersuchungen“ – von der makroskopischen Ebene des ganzen Gehirns über die Ebene großer Netzwerke aus einzelnen Neuronen bis hin zur Ebene morphologisch detaillierter Nervenzellen.